Der Spiegel schreibt kritisch ueber Kiva – Mein Leserbrief

by P

Sorry, only in German ….

Sehr Geehrter Herr Lischka:

Ich habe mit grossem Interesse Ihren Kiva Artikel (http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,475307,00.html) gelesen, da ich seit 2002 in Suedafrika lebe und mich mit Fragen wirtschaftlicher, sozialer und technischer Entwicklung auseinadersetze. Ich finde das Model von Kiva attraktiv und war etwas ueberrascht von Ihrer sehr kritischen Beurteilung.  Da Sie in Anbetracht der gewaltigen Leserschaft von Spiegel Online eine Verantwortung fuer die Auswirkung Ihres Beitrages haben (in diesem Falle weniger zinslose Kredite fuer Unternehmer in Entwicklungslaendern, da Spiegel Leser sich nach der Lektuere evtl. gegen eine solche Investition entscheiden) finde ich die inhaltlichen Schwaechen Ihrer Kritik bedenklich.
 
Ich stimme nicht damit ueberein, dass Kiva (1) die lokalen Banken und Kreditinstitute aus dem Markt treiben wird, oder dass (2) Kiva die Abhaengigkeit “der Armen” manifestiert.

Ganz im Gegenteil:

(1) Sie gehen davon aus, dass die Kiva Kreditnehmer Zugang zu lokalen, wenn auch teureren, Krediten haben, und dass diese Kredite aehnliche unternehmerische Aktivitaet ermoeglichen, wie Kiva. Dies ist nicht der Fall. Viele Kleinstunternehmer in Entwicklungslaendern sind nicht Teil des “formal banking” und koennen so nur Kredite von informellen Organisationen erhalten. Diese sind ueberteuert, enthalten drakonischen Rueckzahlungsbedingungen, und erhoehen deutlich das Unternehmerrisiko. Niemand wuerde in Deutschland einen Kredit zu 30% Zinsen von einer Organisation mit zweifelhaften Geschaeftspraktiken aufnehmen, um ein kleines Untermehmen aufzumachen.

(2) Kiva Beitraege sind keine Spenden sondern zinslose Investitionen. Spenden sind nicht rueckzahlbare Zuwendungen – im Kiva System existieren keine solchen Kapitalfluesse. Wenn Investitionen nach der ersten Rueckzahlung vom Kreditgeber nicht wieder entnommen werden, gehen sie in weitere Investitionen ein. Das Gesamtvolumen der Investitionen waechst, aber keine Investition wird jemals zur Spende, da die Rueckzahlung des Kreditnehmers weiterhin gewaehrleistet ist.

Ich bin nicht ueberrascht, dass die GTZ das Kiva Modell problematisch findet. Jedoch ist es nicht Kiva, sondern die GTZ, die von der Abhaengigkeit “der Armen” lebt (und das nicht schlecht) – denn kein Entwicklungsland braucht ueberteuerte GTZ Beratung, wenn die lokalen Unternehmer durch Zugang zu guenstigem Kapital, die wirtschaftliche Entwicklung selbst in die Hand nehmen. Das waere in der Tat eine negative langfristige Auswirkung von Kiva – aber nur aus Sicht der GTZ – nicht fuer die Menschen in Entwicklungslaendern.

Kiva ist nicht ohne Probleme, aber diese liegen anderswo:

(a) Kiva ist nicht in allen Laendern als gemeinnuetzige Organisation registriert, so dass Zuwendungen z.B von indischen Investoren nicht steuerlich beguenstigt sind. In den US jedoch koennen solche Investionen in der Steuererklaerung beruecksichtigt werden.

(b) Kiva unterstuezt ganz gezielt die besten Kleinstunternehmer. DIese spielen jedoch oft eine wichtige Rolle als Teil von lokalen Micro-finance Projekten, wo sie in der Regel zusammen mit anderen – vielleicht schwaecheren Unternehmern – Mitglied einer Sparergruppe sind, die sich gegenseitig unterstuetzt und beraet. Es waere wichtig, die weitere Teilnahme in diese Gruppen, ueber die lokalen Kiva Partner, zur Bedingung eines Kiva Kredits zu machen.

Mit freundlichen Gruessen,

Philipp Schmidt